Kurzgeschichten

Gold in der schwarzen Laaber

Man sagt, es wird Gold gefunden am Grunde der Quellen der schwarzen Laaber in der Oberpfalz.
Nein, kein Katzengold, also Pyrit oder Eisenkies
sondern
Nuggets – kleine Brocken aus gediegenem Gold.
Ist es denn zu glauben?
Die BILD-Zeitung soll es geschrieben haben am ersten April 2016.
Ein Aprilscherz?
Aber wer scherzt schon bei solch einem Thema?
Viel zu ernst ist das Thema – hier geht’s um Geld – Gold – reich könnte man werden – vielleicht.

Oder würde man dann ausgeraubt, wenn man nach dem Schürfen mit einem dicken Säckchen voller Nuggets in der Hosentasche in einem Wirtshaus an der Laaber zur Brotzeit einkehren würde?
Nein, man muss es ja am gegenüberliegenden Stammtisch nicht erzählen, warum auf dem Rücksitz des Autos eine Schürfrinne und eine Waschpfanne liegen.

Man ist versucht, seine Zeche in Nuggets zu bezahlen, findet aber dann doch noch einen zwanzig Euro Schein in der Brieftasche.
Nicht ausgeraubt wiegt man dann zu Hause auf der Briefwaage die Tagesbeute. 30 g pures Gold, das sind ca. 1000 Euronen – man ist reich, reich, REICH!

Am nächsten Tag konnte man dann die Gedanken nicht mehr für sich behalten und sprudelte es aus sich heraus, dem Nachbarn hat man davon erzählt, dem besten Freund, sogar dem besten Feind.

Goldfieber an der schwarzen Laaber. Seltsam, eigentlich könnte man bei diesem Namen – schwarze Laaber – eher davon ausgehen, bei einer Tiefbohrung auf Erdöl zu stoßen.

Noch am selben Tag ist man mit dem Nachbarn, dem Freund und auch dem Feind unterwegs zur Quelle. Den ganzen Tag wird das Wasser über die Rinne gespült und das sich darin gesammelte sandige Gestein anschließend in der Pfanne geschüttelt, rotiert und konzentriert.

Was glitzert da denn in der Pfanne, nein das ist kein Gold, das ist ein großer blauer Diamant, nein kein Rohdiamant, sondern schon geschliffen im Mazarin-Schliff, eine Kostbarkeit. Der Fachmann erkennt sofort den Brillantschliff mit 12 zusätzlichen Facetten auf dem Oberteil. Sollte das der berühmte Mazarin-Stein aus der Sherlock Holmes Geschichte von Sir Arthur Conan Doyle sein. Und wie kommt dieser Stein zu den Quellen der schwarzen Laaber in der Oberpfalz?

Nun lieber Leser und liebe Leserin, wie soll die Geschichte weitergehen, man hat den drei Kumpanen drei Möglichkeiten zur Auswahl gestellt, wie das gefundene Vermögen sinnvoll verprasst werden kann.

Soll man das viele Geld dazu einsetzen, um die deutsche Bank zu übernehmen und dann das Niveau der Zinsen in Deutschland wieder auf ein vernünftiges Niveau anheben.

Oder soll mit dem vielen Geld der ehemalige FIFA Präsident Josef Blatter wieder inthronisiert werden, damit die kommende Fußballweltmeisterschaft wieder in Deutschland stattfinden wird und ein zweites neues Sommermärchen entstehen kann.

Eine nachhaltige Lösung wäre es, mit dem vielen Geld ein interstellares Raumschiff zu bauen und mit der Weltelite der Menschheit auf einen Planeten der Sonne Proxima Centauri auszuwandern, der erdähnliche Lebensbedingungen besitzt.

Mein Nachbar ist ein sehr konservativer Mensch und er hatte sich auf die Möglichkeit eins geeinigt, schließlich hat er einen Batzen Geld auf seinem Bankkonto.

Mein bester Freund ist ein eingefleischter Fußballfan und seiner Meinung nach kam keine andere Möglichkeit wie die nächste Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland in Frage, auch unter der sicherlich suboptimalen Voraussetzung, dass Sepp Blatter zurückkommen würde.

Und mein bester Feind, nun natürlich entschied er sich für die Reise nach Proxima Centauri, hat er doch während der mehr als vier Jahre andauernden Fahrt bei fast Lichtgeschwindigkeit die Möglichkeit eine Zeitmaschine zu bauen und mich in eine Zeit zurückzuwerfen, in der man gefangen wäre und ihn nicht länger manipulieren und auch nicht ärgern könnte.

Du lieber Leser dieser Geschichte hast dich nun für diese nachhaltige aber auch überaus gefährliche Reise durch das Weltall entschieden, genauso wie der Feind entschieden hat, man kann das ganz genau an den unscheinbaren Regungen in deinem Gesicht erkennen. Ja lieber Leser, nicht nur du schaust auf diesen Text, dieser Text schaut auch auf dich!
Ich sehe es ganz deutlich in dein Gesicht geschrieben, du magst mich nicht und auch nicht diesen Text.
Dann bist du also ein Freund meines Feindes und der Freund meines Feindes ist mein Feind – gut damit ist es entschieden, wir fliegen also zu Proxima Centauri.

Vierundzwanzig Jahre später.
Das für interstellare Reisen gebaute Raumschiff mit Namen „Freund meines Feindes“ startet auf seine Jungfernfahrt zum sonnennächsten Stern in unserer Milchstraße. Wir werden sehr schnell beschleunigen und schon nach 40 Tagen unsere Reisegeschwindigkeit von 99,97% der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Nach einer ebenfalls 40 Tage dauernden Bremsphase werden wir nach ca. 4 Jahren und 3 Monaten in eine Umlaufbahn der Sonne Proxima Centauri einlenken.

Vier Jahre 3 Monate und 3 Tage später:
Wir haben die Umlaufbahn erreicht und man kann es kaum glauben, der Feind hat während der gesamten Zeitperiode nichts unternommen. Vielleicht war es ja auch der Verdienst des Freundes und des Nachbarn, die einen in der ganzen Zeit wie Leibwächter begleitet und nie aus den Augen gelassen haben.

Wenn man aus dem Cockpit des Raumschiffs blickt, kann man erkennen, dass da ein Planet um die Sonne kreist. Es ist wie ein Wunder, der Planet hat eine ähnliche Entfernung zu Proxima Centauri wie unsere Erde zur Sonne und man kann sogar erkennen, dass dort Wasser vorhanden ist. Dem größten Wunsch gibt man seine Erfüllung und man fliegt ganz allein mit dem kleinen Beiboot der „Freund meines Feindes“ auf diesen Planeten hinunter. Das Messgerät zeigt für Menschen atembare Luft an. Man tritt in die Ausstiegsluke, öffnet den Raumfahrerhelm und atmet tief die ach so herrlich frische Luft in die Lungen und berührt dann als erster Mensch fremde Erde außerhalb des Sonnensystems. Welch Glücksgefühl!
Was ist das für ein Flirren da vorne? Man geht darauf zu………

Seltsam, man sitzt plötzlich wieder auf seinem Klappstuhl am Ufer der schwarzen Laaber in der Oberpfalz und hat eine Goldwaschpfanne in der Hand. Was ist denn passiert? Langsam dämmert es, ja, am Schluss ist die List des Feindes dann doch noch aufgegangen und auf diesem Platz auf dem wunderschönen so erdähnlichen Planeten war man in ein Raum-Zeitfeld gelockt worden. Beim ersten Kontakt mit diesem Feld wurde man in Nullzeit in die Vergangenheit auf die Erde zurückgeschleudert. So findet man sich also hier und heute, nein natürlich da und irgendwann damals wieder.

Und wie fühlt man sich dann so? Sehr gut sogar, man hat wieder 39,4 Grad Goldfieber und will gleich ins Wirtshaus an der schwarzen Laaber zur Brotzeit einkehren.

Lieber Feind, ich lebe noch !!!

© 2016 by Xaver Oberpfalz

Einsame Stadt

Prolog:
Er wurde gesucht, die Bluthunde waren ihm auf den Fersen,
jeden Augenblick konnte es soweit sein.
Er hörte das laute Hecheln hinter sich, seine Gedanken hetzten einander
Und er sah seine Flucht noch einmal vor sich….

1.Teil
Dunkle Altstadt, Häuser vom Schornsteinqualm grau und verwaschen,
kläffende, keifende Hunde, lautes Marktplatzgeschrei,
das monotone Raunen der Maschinen, die die nahe gelegene Fabrik am Leben erhielten,
das war seine Heimat, hier lebte er, man könnte auch sagen, hier vegetierte er dahin,
zwanzig Jahre alt und doch nie wirklich geboren.

2.Teil
Ja, so hatte das alles angefangen, plötzlich war die fixe Idee in seinem Kopf,
hatte sich eingenistet und er konnte sie nicht mehr abschütteln.
Mit seinem Ersparten war es nicht weit her,
denn er hatte das meiste Geld, das er mit seinem Job verdiente,
in Zigaretten, Bier und manchmal einen Joint investiert.
Doch war das entscheidend? Nein, eigentlich war es ihm egal!

3.Teil
So verließ er die einsame Stadt, denn nichts konnte ihn mehr halten,
nicht die Freundin, die er mit Füßen trat, nicht die Eltern mit ihren Schulden.
Er ging hinaus vor die kalte Stadt, nichts war ihm dafür zu teuer und
Er begnügte sich mit Betteln vorab – noch kannte er nicht das Feuer.
Das Feuer, das in einem zu brennen beginnt,
wenn man andere glücklich sieht und sich allein,
das Feuer, das dich dann verbrennt, wenn du erkennst, sie haben mit dir nichts gemein.
Wenn sie in ihren Ecken stehen und dich lange beobachten und dann sagen,
schau DER gehört nicht zu uns, er ist ein Fremder, er ist aus der Stadt.
Er ist aus der Stadt des billigen Vergnügens, aus der Stadt der Hektik,
aus der Stadt des Verbrechens, aus der Stadt der langen Haare,
aus der Stadt der Huren, aus der Stadt der Fliessbänder,
aus der Stadt der lebendigen Toten.
Heja, macht euch zur Hetzjagd bereit, jagt ihn zurück in seine Stadt.

Epilog:
… der letzte Gedanke, die Bluthunde waren da und er war tot
ehe er gelebt hatte.

© 1979 by Xaver Oberpfalz

Herbstblues

Der Sommer 2015 war ein Traum in warm, hell, schwül, erlebnisreich oder ganz
einfach großartig.

Und plötzlich ist Ende Oktober und Allerheiligen steht direkt bevor.
Kurz bevor uns die Winterdepression umfangen wird,
sollten wir diesen kurzen und heftigen Herbst genießen.

Habt ihr je erlebt, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Bäume jemals in
einer solchen Geschwindigkeit von Grün nach den Farben des Herbstes – gelb,
braun, rot
und alle anderen Zwischentöne gewandelt haben, nein ich denke, das war Rekord!
Rekord in Farbe – Color Time – Zeit der Farben einmal nicht im Zeichen eines
Textilproduzenten, sondern im Namen der Natur!

So viele Tage habe ich im September auf das Kleid der Bäume gestarrt – Färb Dich
doch endlich, färb dich doch endlich! – aber nichts passierte.

Kaum hatte ich einmal weggeschaut, war das verrückte Farbenspielkarussel
plötzlich in maximaler Rotation.
Und jetzt – heute hat mich der Blues so was von richtig voll erfasst.

Ich war auf dem Wege zur U-Bahn-Station Odeonsplatz in München, der Wind blies mich mit Kraft durch den Hofgarten nach vorne,
als ich dieses Lied hörte – eigentlich fürchterlich kitschig, aber der einsame
Sänger mit seiner Akkustikgitarre stand
am Eingang zur U-Bahn und spielte doch tatsächlich die Melodie „Blowing in the Wind“ von Bob Dylan.
Als ich ihn näher betrachtete, sah ich, dass es ein junger Mann war, mit einem
vollen, langen schwarzen Bart
und einer weißen, wallenden Kutte.
Und dann horchte ich nicht nur auf die Melodie, sondern auch auf den Text:

How many countries must some refugees walk down,
Before they can see security?
How many seas must a refugee sail,
Before he’s rescuded by a ship?
Yes and how many times must a cannon ball fly,
before he is going on his way,

The answer my friend is blowing in the wind,
the answer is blowing in the wind

Ich blieb kurz stehen, hörte das Lied zu Ende und warf ein paar Euro in die
Kopfbedeckung,
die er auf den Boden gelegt hatte – und ging dann weiter.

Als ich an der U-Bahn Station Bonner Platz angekommen war, hatten sich ein paar Bilder in meinem Kopf eingenistet – offensichtlich war ich kurz eingenickt –
ich sah eine Strasse, eine Baumallee irgendwo in Deutschland,
viele Menschen mit Gitarren waren hier auf dem Weg,
und alle spielten „Blowing in the Wind“ und alle waren gekleidet wie der Sänger am Odeonsplatz,
und da waren auch vermummte Frauen und viele Kinder
und ich war traurig, nicht helfen zu können,
der Herbstblues hatte mich übermannt.

© 2015 by Xaver Oberpfalz